Ein starker Kontrast: Die Houay Hoi Schule

Dienstag, 20.03.2018 // 15:22 Uhr

Am Mittwoch vor unserer Reise nach Laos fand ein spontanes Treffen mit dem Verein Nok Noi statt, das letzten Endes zum Besuch einer für unsere Verhältnisse ärmlichen Schule in Houay Hoi führte. Der Verein ist durch einen Bericht im Weser-Kurier auf uns aufmerksam geworden und hat sich bei uns gemeldet, um gesammelte Erfahrungen auszutauschen und über mögliche gemeinsame Ansätze zu diskutieren. Nok Noi ist ein Verein zur Förderung von Gesundheits- und Bildungsprojekten in Laos, welcher Hilfestellungen für eine bessere Zukunft der Kinder im Land, mit Schwerpunkt auf den Ort Houay Hoi bei Luang Prabang, legt. Beim aktuellsten Projekt wird zum Beispiel ein Schulgebäude mit fünf Klassenräumen gebaut, um mehr Schülern den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Hierbei unterstützt der Verein vor allem mit finanziellen Mitteln.

Aber was hat eine Schule der Dritten Welt mit Mobile4D zu tun? Erstmal so rein gar nichts. Trotzdem wollten wir uns die Chance nicht nehmen lassen, genauere Einblicke in das laotische Bildungssystem zu bekommen, Erfahrungen auszutauschen und eventuell an potenziellen Lösungsansätzen in Kooperation mit Nok Noi zu arbeiten. Mit der Bitte, sich vor Ort ein Bild über die technische Infrastruktur zu machen und zu überlegen, wie man die Schule zum Beispiel technisch mit Hardware ausrüsten könnte, hat der Verein den Kontakt zu Herrn Samoraphouma Khoumphetsavong (Kurzform Samor) von Luang Prabang hergestellt. Samor steht seit letztem Herbst mit dem Verein in engerem Kontakt und baut aktuell mit seinem Bruder das neue Schulgebäude in Houay Hoy. Er hat BWL in Berlin studiert und führt gemeinsam mit seinem Bruder ein Bauunternehmen in Laos. Außerdem spricht Samor fließend Deutsch und agiert für uns als Dolmetscher und Koordinator des Treffens, führt ein eigenes kleines Matheinstitut und ist Besitzer einiger Gasthäuser in Luang Prabang.

20.03.2018

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Begrüßung und Kennenlernen

Am 15. März war es dann so weit: Um 8 Uhr morgens wurden wir mit zwei Wagen vor unserem Gästehaus abgeholt und herzlichst von Herrn Samor begrüßt. Nach einer knappen Stunde Autofahrt durch die Provinz von Luang Prabang erreichten wir schließlich die Schule in Houay Hoy. Was im Voraus keiner von uns ahnte: Dies sollte ein emotionaler Tag werden, der uns sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird. Vor Ort erwarteten uns bereits mehr als 20 Leute, die entlang des Weges zum Verwaltungsbüro aneinandergereiht in einer Menschenkette standen (und wenn wir von Verwaltungsbüro reden, meinen wir einen kleinen rechteckigen Betonklotz mit Dach, drei Tischen und einem veralteten Computer hinten in der Ecke). Bereits hier kamen einigen von uns fast die Tränen, weil wir zum einen so erschrocken über die ärmlichen Verhältnisse waren, die uns auf den ersten Blicken bewusst wurden. Zum anderen, weil wir so gerührt vom herzlichen Empfang waren und was für einen Aufwand sich die Schule für uns machte – obwohl uns niemand kannte und wir bisher nichts für diese getan hatten. Diese Menschenkette, bestehend aus einer Mischung aus Schülern aller Jahrgänge, Lehrern und Büromitarbeitern der Schule, stand dort mit Blumenketten, die sie uns beim Gang ins Verwaltungsgebäude in die Hand legten und jeden einzelnen von uns persönlich begrüßten. Wir waren alle so überfordert von diesem herzlichen Moment, dass wir überhaupt nicht wussten, wie wir damit umgehen sollten.

Angekommen im Gebäude, stellten sich uns die insgesamt drei Direktoren der Schule und einige andere wichtige Personen vor. Nach ein bisschen Smalltalk haben wir uns viel über die technischen Voraussetzungen der Schule, die nicht vorhandene technische Infrastruktur, unsere mobile Applikation und Kompetenzen der Universität Bremen sowie mögliche Lösungen unterhalten – allerdings ohne zu geeigneten Ansätzen zu kommen. Viele Dinge sind einfach unklar und erschweren den gesamten Förderungsprozess: kein Internet, fehlende IT-Kompetenzen sowie logistische Herausforderungen sind nur einige wenige der vielen Probleme, die diese Thematik so kompliziert macht. Unserer Meinung nach gibt es aktuell andere und wichtigere Themen, an denen gearbeitet werden sollte und das, obwohl die Schule in Houay Hoy noch zum Durchschnitt in der Provinz gehört. Ein Beispiel hierfür sind die erschreckend gebrochenen Englischkenntnisse der angestellten Englischlehrer, die teilweise unentgeltlich an der Schule arbeiten und auf einen Job bei der Regierung hoffen sowie die mangelnde Wasserversorgung und die extrem weiten Schulwege der Kinder und Lehrer. Trotz allem bemühten wir uns, nicht zu emotional zu werden, sondern uns die Wünsche und Vorstellungen der Schulleitung anzuhören und darauf einzugehen. Welche Informationen beim Übersetzen verändert oder gar verlorengegangen sind, wissen wir natürlich schlussendlich nicht. Dies bereitet uns heute noch ein ungutes Gefühl, denn es existieren viel zu wenige Informationen, was wirklich im Hintergrund passiert.

20.03.2018

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Rundgang durch das Schulgelände

Der Besuch der Schule setzte sich dann mit einem Rundgang durch das Schulgelände und anschließender Besichtigung der Baustelle des neuen Gebäudes fort. In einigen Klassen stellten wir uns vor, in manchen haben wir uns nur umgeschaut. Trotzdem wurden wir von jedem einzelnen Schüler angelächelt und mit viel Respekt behandelt, sodass wir das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekamen. Eine Klasse besteht übrigens aus 40 bis 60 Schülern und der Klassenraum ist meist mit einer Bambus-, Holz- oder Betonfassade sowie einem schlichten Dach, Tischen für die Schüler und einer Tafel ausgestattet. Ungefähr 47 Lehrer unterrichten dabei um die 624 Schüler (und das sind nur die Schüler der Mittel- bis Oberstufe) in Fächern wie Sport, Englisch Chemie, Mathematik und der eigenen Sprache. Aber natürlich nur rein theoretisch, denn für Praxisdemonstrationen fehlen die notwendigen Voraussetzungen und Möglichkeiten. Bis zur 12. Klasse sind alle Jahrgänge in Houay Hoy vertreten, auch Kindergarten und Grundschule (natürlich nur in sehr geringen Ausmaße). Faszinierend war auch, dass uns während des gesamten Rundgangs bis zu 30 Leute begleiteten – vermutlich eine weitere Geste der Höflichkeit und des Respekts.

Zum Abschluss bekamen wir die Internate der Schule zu Gesicht: Minimalistisch eingerichtete Holzkonstruktionen, in denen 70 Schüler und Lehrer eng an eng wohnen, wenn die Heimat zu weit außerhalb liegt. Einige Schüler nehmen jeden Tag einen stundenlangen Weg auf sich, um überhaupt die Schule besuchen zu können. Schaut euch am besten auf den Bildern an, was wir meinen, denn dies lässt sich kaum in Worte fassen. Man will sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn es regnet oder ein Sturm aufzieht. Wir waren wirklich schockiert, was Menschen hier vor Ort bereit sind, in Kauf zu nehmen und zu leisten, um Bildung zu erhalten. Zu Beginn der Reise lernten wir auch einen Studenten kennen, der sich sein Studium durch zwei Jobs finanziert und keine Freizeit mehr hat. Hier liegen die Prioritäten einfach woanders als bei uns. Sehr stolz war Herr Samor übrigens auch auf die Parolen der Schule, die an mehreren Ecken auf Holzschildern aufgemalt und angebracht wurden. Diese sollen die Kinder beispielsweise von Drogen fernhalten und zu sportlichen Aktivitäten motivieren. Auch erzählte uns Herr Samor, dass die Schule schon einige sportliche Auszeichnungen und Pokale bekommen hat, auf die diese sehr stolz ist. Es existiert zudem ein sogenannter „Cleaning Day“, an dem alle Schüler und Lehrer gemeinsam einmal die Woche die Schule putzen. Dies verdeutlicht noch einmal den Zusammenhalt untereinander, der im ganzen Land sehr stark ausgeprägt ist. Auf dem Schulgelände sind im Übrigen auch zwei Brunnen für die lokale Wasserversorgung vorhanden, um die Menschen vor Ort mit Trinkwasser zu versorgen. Allerdings reichen die 68 Meter Bohrung aktuell nicht aus, um das Grundwasser zu erreichen – ein großes Problem, denn Transporte sind teuer. Hier haben wir auf Kontakte der Universität Bremen verwiesen, welche sich genau mit solchen Problematiken beschäftigen. Die Müllentsorgung der Schule findet direkt neben den Internaten statt, wo der Müll regelmäßig verbrannt wird und die Schüler die giftigen Abfallprodukte einatmen müssen.

20.03.2018

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Abschluss

Nach dem Rundgang saßen alle noch einmal zusammen, um über unsere Eindrücke und Vorstellungen zu diskutieren: Wir haben das Schulgelände mit einem lächelnden und einem weinenden Auge verlassen. Herr Samor hat uns zum Abschied noch in sein eigenes kleines Matheinstitut auf einen Kaffee eingeladen und gezeigt, anhand welcher Methodik er seinen Studenten rechnen beibringt. Nun heißt es nachdenken, wie man auch in Zukunft diese Schule unterstützen beziehungsweise zum Wohl der Schüler beitragen kann. Wir alle brauchen noch Zeit, um diese Eindrücke vollständig emotional zu verarbeiten, denn keinem von uns war bewusst, wie es im Vergleich zu unserem eigenen Bildungssystem aussehen kann. Wir wünschen den Schülern aus Houay Hoy alles Gute und hoffen, dass wir uns irgendwann nochmal unter anderen Bedingungen wiedersehen werden!

20.03.2018

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